AUF!begehren (Lea Pusch)
Da steht er, umringt von den Seinen, trotzend, kampfbereit,
die Faust zum Himmel geballt! Es hallt...
seine Stimme durch Straßen und Menschen,
lässt Häuser erzittern, wie manchen Despoten! Geboten...
ward Ordnung und Folgsamkeit.
Gehorsam und hörig den hiesigen Herren
die täglichen Pflichten mit Freude zu tun,
nicht früher zu ruhn.
Nein! Nicht eher zu ruhn,
ja aufzustehn auf die Straße zu gehn!
Sein Banner erzählt von Träumen
und malt in den Wind das Bild einer besseren Welt.
Es spricht von Freiheit und Gleichheit für Brüder und Schwestern
Lasst uns AUF!begehren!
So lange vergessen, verdrängt und vergraben
regt Es sich nun in den nachtschwarzen Tiefen, als riefen...
es sehnende Stimmen empor.
Von neuem erwachend und unruhig machend
sucht Es sich listig den Weg ans Licht. So dicht...
unter der Schale gehalten durch alternde Normen
und Werte, die heute nicht länger die eigenen sind,
beginnt´s sich zu sammeln, zu kochen und brodeln.
Und wieder alles bewussten Wollens,
drängt es hervor in die Welt, in das Leben. Zum Beben...
bringend, und Scham erzwingend,
strebt es dem Ich an den Kragen zu gehn.
So lange vergessen, verdrängt und vergraben
zerbricht Es die Ketten, will AUF!begehrn!
Eng umschlungen, zeitweise eins,
liegen wir Haut an Haut uns in Armen.
Ich spüre dich und du spürst mich
und wir spüren das, was uns vereint.
Zusammen tanzen wir, Träume teilend, den Tanz unsrer Liebe,
respektvoll verschieden.
Ich erkenne dich und du erkennst mich
und wir erkennen das, was uns trennt.
Vereint im Getrenntsein, brennend vor Neugier auf das,
was den anderen eigen sein lässt,
klimmen wir höher und höher zum Gipfel des Eins-seins
extatisch verwoben im Hier und im Jetzt
und sinken zurück, zerfallen in zwei,
ermattet durch unser AUF!begehren.
Gegen den Strom der Blinden, die folgen,
die eigene Meinung vor sich tragend,
sichtbar für jeden, aus Angst sie sonst zu verliern.
Eine Schweißperle rinnt ihre Schläfe hinunter
und tropft auf das munter ... verzogene Lächeln,
das so langsam zerfällt.
Die Kraft, die die Meinung noch hält, ... schwindet
Und findet ... den Mut nicht mehr
zu wiederstehen und nicht mitzugehen
im Sog der Gleichförmigkeit.
Schlüpfrig geworden entgleitet der Wille den schweißnassen Händen...
und schwebt sachte zu Boden.
Sie lässt ihn liegen, wendet sich ab, als wär‘s nie gewesen,
dreht sich und folgt dem Strom ohne Augen,
vergessen schon längst der letzte Versuch AUF!zubegehren.
Diese zweite Geburt, diese Zeit eines Lebens,
in der alles sich dreht, ... wie vom Sturm verweht,
ja in Frage gestellt, ins Wanken gerät.
Wir sehen es brechen und zweifeln daran,
dass alles wird wieder zusammen sich finden.
Was bleibt ist empfindlich, fragil und roh,
ja so... neu! Ein gar zarter Beginn,
suchend den Sinn ... des eigenen Seins.
Ein Erstes für alles: Der erste Genuss, ein scheuer Kuss,
ein eigener Weg. Ein schmaler Steg...
zwischen damals und dann.
Das eigene Kindsein als längst überlebt,
das Alter der andren als Makel, von Steifheit und Regeln geprägt,
verachtet und doch so ersehnt.
Nicht Kind, nicht Frau oder Mann,
schwankend, wankend zwischen ein und dem andren
im Kampf gegen beides und AUF!begehrend!
Hier, hier kann er nicht bleiben!
Hier, wo die Bomben fallen wie Regen,
und tückische Minen, das Erdreich aufreißen,
wie sprießende Keime im Frühling die Flur.
Hier, wo auf Feldern, gedüngt von den Toten,
die faulende Saat des Krieges gedeiht.
Hier, wo das Wasser des Lebens verrinnt
und das Wasser des Meeres zu locken beginnt.
Ein Gedanke keimt auf, ja und Hoffnung erwächst:
Die Reise ist schwer, doch das Ziel könnt es lohnen!
Dort könnt er wohnen, den Durst stillen...
und voll blühendem Willen, macht er sich auf.
Auf durch sengende Wüsten, begehrend, die Welt hinterm Sand!
Auf zu neuen Ufern, begehrend das ferne Land!
Auf zu Frieden und Freiheit, begehrend das Leben in eigener Hand!
AUF!... begehrend...
Kopfgesteuert, körperblind,
Kontaktlos verbunden, wie ein Windspiel im Wind.
Der Kopf rennt voraus und der Körper soll folgen.
Der Körper jedoch, der beginnt zu verzagen
und sich letztlich zu fragen:
Was er denn wolle? Was das denn solle?
Ist nicht sein Folgen dem Verderben geweiht?
Als ob das Folgen ihn letztlich befreit
von den täglichen Pflichten,
dem ständigen Richten ... des Kopfes
der Knechtschaft, im Ringen um Leistung und Tugend
und ach so fader bedingter Liebe!
Nein! Sein Folgen hät Folgen, die er nicht länger bereit ist zu tragen!
Doch reicht dies dem Kopf um einzulenken, umzudenken?
Was fehlt? Ein Aufschrei?
Nun denn du Körper mit all deiner Kraft sollst du ihn bezwingen,
zum Anhalten bringen ... ja AUF!begehren!
Ich als Frau und du als Mann sind gleich an gleich
und reich ... beschenkt durch die Vielfalt der Welt,
jeder für sich ein Schatz der Schöpfung,
stolz, auf das, was wir sind.
Und doch mein Freund, war es lange nicht so,
dass wir gleich an gleich uns begegnen konnten.
Die „Tradition“ ließ es nicht zu! Wie töricht!
Es sei doch eines Weibes Pflicht zu hüten die Kinder und zu pflegen das Haus
und er sollte schaffen Tag ein Tag aus,
ja freudvoll ackern in den Mühlen der Macht.
Wir forderten längst ein Recht auf gleiches Recht.
Gleichberechtigung in gleichen Bereichen
Und Ja wie nähern uns an.
Doch je mehr wir uns nähern, umso mehr wird gewahr,
in welchen gar gänzlich gähnenden Tiefe die Trennung geschah.
Drum heißt es wohl immer noch: AUF!begehren!
Verfallen, ohne Wenn und Aber,
nur Jetzt und Sofort überlebten
den ersten Versuch die Welt zu vergessen,
um sich nicht mehr zu messen
mit solcherlei Maß, das versagen uns lehrt.
Begehrt nun der Rausch viel mehr als das Leben.
Das Leben voll Sorgen und Nöten und Wahrheit und Wachheit,
so unaushaltbar, so schrecklich real, so da, so...
so flüchtet er wieder ins tröstende Nichts,
das so unmittelbar, nur einen Griff zur Flasche entfernt
so schelmisch lächelnd lockt!
Sein Körper verzehrt sich nach mehr und mehr
Und kennt nur noch eines: AUF!begehren
Uns ist ihr Antrieb, ihr Handeln so fern
So wieder jeder Vernunft und zu gern
täten wir vielmehr dagegen.
Doch ihre Parolen versickern wie Regen
im Morast aus Angst um das eigene Leben.
Meist bleibt ihre Angst jedoch ungesehen,
können die meisten sie doch nicht verstehen.
So ist die Angst nun kaum zu ertragen.
Sie beginnen nach einem Schuld´gen zu fragen.
Und das suchende Auge findet wie immer.
Wut keimt empor und sie fragen sich nimmer,
ob denn des suchenden Auges Blick zu trauen ist.
Wut wird zu Hass und folgend Gewalt.
Ihr Unmut kennt schon bald keinen Halt.
So gehen sie gegen die Schwächeren vor.
Ausländer, Juden... wie auch schon zuvor.
Wir, erst sprachlos, sehen das Leid
der Opfer. Ich frag euch: „Seid ihr bereit AUF!zubegehren?“
Seit Zeiten ist unsere Welt,
wie sie uns doch täglich erhält,
wie sie uns nährt und mehrt,
uns Heimat gibt,
uns so viel vergibt... im Wandel begriffen!
Wir, die wir ohne sie schlicht vergehen,
wollen ihr Leiden häufig nicht sehen.
Als wäre ihr Fortbestand uns einerlei
Verkennen wir gar ihren Hilfeschrei
als Orkane, Taifune und Wirbelstürme,
Hochwasser, Springfluten hoch wie Türme,
Vulkanausbrüche und brennende Wälder.
Die Winter werden nicht mehr kälter.
Können den unsere Augen nicht sehen?
Können nur die eines Kindes verstehen?
„How dare you!“ schreit sie uns ins Gesicht,
wie die Gischt des Meeres, dessen Anwalt sie ist.
Sie hält uns vor, was wir alle schon wissen,
dessen Konsequenz wir jedoch häufig missen.
Um nicht zu verharren in Floskeln und Lehren,
Heißt es für Alle Welt AUF!zubegehren!